Etwas mehr als eine Woche ist es nun her, dass der spanische Stürmer Star Fernando Torres mit seinen Kindern auf dem Rasen des Olympiastadions in Kiew den Sieg der Europameisterschaft 2012 feiert. Ein idealere Zeitpunkt, um frei von Emotionen eine objektive Bewertung des großen kontinentalen Fußballevents durchzuführen. Was macht die vergangene EM in Polen und in der Ukraine aus, was waren die Highlights, welche Überraschungen gab es und welche Spieler spielten sich in den Rang der Fußballstars? Die Spassredaktion hat die EM mit etwas zeitlichem Abstand durchleuchtet und eine kleine Bewertung vorgenommen.
EM der Langeweile
Was in der Nachbetrachtung als erstes auffällt ist die Tatsache, dass die spielerische Qualität bei der Europameisterschaft klar zu wünschen übrig ließ. Es gab kein Spiel, dass durch spielerische Spitzenleistungen überzeugte und bei dem am nächsten Tag in überschwänglicher Euphorie debattiert wurde. Spannung kam allenfalls ab dem Viertelfinale auf, da dort ein Sieger pro Spiel feststehen musste. So beschränkten sich die Kommentare und Berichte aus Polen und der Ukraine häufig nur auf Statistiken. Leben wurde den Sportbeiträgen allenfalls durch Berichte über Spielertattoos, falsche Live-Einblendungen und Randerscheinungen wie Zuschauerausschreitungen oder ukrainische Menschenrechtsinterpretationen eingehaucht. Den irischen Zuschauern sei Dank, dass es in der Vorrunde wenigstens bei den Spielen ihrer Nationalmannschaft zu Gänsehaut kam mit ihren Minutenlangen wehmütigen und beeindruckenden Fangesängen.
Wenig Glanz durch Einzelspieler
Wer dennoch bei den Duellen der Mittelmäßigkeit nach Glanzlichtern suchen wollte, fand durchaus einige Spieler, die durch besondere Leistungen auffielen. Ganz vorne dabei ist sicherlich der italienische Stürmer und Badboy Mario Baloteli, der mit seinen Abstaubertoren in Gerd-Müller-Manier ebenso auffiel, wie durch seine provokanten Gesten. Auch sein Mitspieler Andrea Pirlo hinterließ mit einem frech genialen Elfmeter und der abgeklärten Ruhe eines 33-jährigen Routiniers einen bleibenden Eindruck. Ebenso abgeklärt und mit genialen Pässen spielte sich der Spanier Xabi Alonso in die Herzen der Zuschauer. Aus deutscher Sicht gab es leider keine spektakulären Glanzlichter. Lediglich Mesut Özil konnte sich durch sein temporeiches Spiel in Szene setzen. Das sich Mario Gomez mit Weltstars wie Ronaldo und Torres als torreichster Schütze darstellen kann, liegt dagegen weniger an seiner Torgefährlichkeit bei dem Turnier, sondern daran, dass die Torschützenkanone dieses Jahr schon mit mageren drei Treffern gewonnen wurde.
EM als Marktplatz für Fußballer
Neben den sportlichen Zielen ist für viele Profifußballer ein internationales Turnier auch Schaulaufen und Bewertung seiner eigenen Person. Hier haben Spieler die Möglichkeit sich einem breiten Fachpublikum zu präsentieren mit der Aussicht auf nachfolgende lukrative Verträge in einer der Europäischen Spitzenligen. Das dieser Marktplatz aber alles andere als objektiven Bewertungsmaßstäben folgt, zeigt die aktuell vom internationalen Sportwetten Anbieter und Real Madrid Trikotsponsor Bwin veröffentlichte Spieler-Wertindex-Tabelle. Diese Tabelle bewertet die Nationalmannschaften mittels Zusammenhang zwischen den Spielergehälter und den Wettquoten als Leistungsfaktor. Der dadurch gewonnene Index zeigt auf, wie nah der monetäre Wert der Mannschaft dem faktischen Wert ist. So erreichten die mit hohen Quoten versehenden Außenseiter Tschechien und Griechenland wegen Ihren erreichten Halbfinals und unterdurchnittlichen Gehältern hohe Indizes, während die enttäuschenden Topverdiener England, Frankreich und Holland weit abgeschlagen in der Tabelle sind.
Europäischer Fußball steckt im Zwei-Klassen-System
Dass die Europameisterschaft nicht ganz an Glanz und Gloria verliert, haben die Veranstalter der südeuropäischen Fußballleidenschaft zu verdanken. Mit Portugal, Italien und dem späteren Turniersieger Spanien waren versuchten im Halbfinale gleich drei traditionelle Fußballnationen aus dem Süden Europas das Niveau der EM auf erträglichem Level zu halten. Lediglich Deutschland konnte bis zum Halbfinale mithalten, verneigte sich dann aber so stark beeindruckt vor der italienischen Spielfreude, dass sie vergaßen Fußball zu spielen. Es ist nicht falsch zu behaupten, dass Fußballentwicklungsländer, wie USA, China oder Australien bei diesem Turnier durchaus das Viertel- oder sogar Halbfinale hätten erreichen können. Der für die EM 2016 in Frankreich geplante neue Turniermodus mit 24, statt bislang 16 Mannschaften, dürfte den Qualitätsverfall dieses Wettbewerbs nicht wirklich stoppen.