Kindliche Sprachentwicklung frühzeitig fördern

Die kindliche Sprachentwicklung ist ein Phänomen. Sie erfolgt im Normalfall wie von selbst und in einem rasanten Tempo. In der Regel treten die ersten Wörter um den ersten Geburtstag auf. Bis zu einem Alter von 18 bis 24 Monaten wächst der Wortschatz des Kindes auf 50 Wörter an. Mit dem Erreichen dieser 50-Wortmarke kommt es zur Sprachexplosion: Die Kinder lernen täglich etwa 9 neue Wörter. Ebenso entstehen erste Zweiwortkombinationen wie z. B. „Papa essen“.

Was, wenn dies nicht so ist und Ihr Kind einen verzögerten, langsamen und fehlerhaften Spracherwerb aufzeigt?

Eines der ersten offensichtlichen Zeichen für die Entstehung einer Sprachentwicklungsstörung ist der verspätete Sprachbeginn. Die Kinder erreichen die 50- Wortmarke deutlich verspätet, die sogenannte Sprachexplosion bleibt aus. Die einzelnen sprachlichen Ebenen können folgende Auffälligkeiten zeigen:

Auf der Lautebene werden einzelne Laute oder Lautverbindungen oft fehlgebildet, ersetzt oder ausgelassen. Teilweise spricht das Kind völlig unverständlich.

Auch die Entwicklung der Grammatik ist auffällig: Die Stellung der Wörter im Satz kann falsch sein. Häufig sind Sätze unvollständig, Wörter oder Satzteile werden ausgelassen. Auch werden Präpositionen (auf, in, im, unter) im Kontext falsch verwendet, die Verwendung von Vergangenheit und Gegenwart fällt schwer, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Der kindliche Wortschatz ist häufig eingeschränkt und undifferenziert. Anstelle der präzisen Begrifflichkeit verwendet das Kind gerne hinweisende Ausdrücke wie z. B.  „das da“ oder „tun“ und „machen“. Auch benützt das Kind ähnliche Begriffe wie z. B. „Tisch“ anstelle von „Stuhl“.

Das Verstehen der Sprache ist ebenfalls häufig auffällig. Kinder, die Schwierigkeiten mit dem Sprachverständnis haben, orientieren sich bevorzugt am Gesprächspartner. Sie lesen Mimik und Gestik und reagieren auf sogenannte Schlüsselwörter. So verstehen Sie im Satz „Der Junge beißt den Hund.“  lediglich „Junge“, „Hund“, „beißen“ und interpretieren mit Hilfe Ihres Weltwissens, dass der Hund den Jungen beißt. Ebenso fallen diese Kinder häufig durch ein vorschnelles „ja“ auf. Im Alltag bleiben Missverständnisse häufig nicht aus. Im Miteinander kommt es zu Unstimmigkeiten, die Kinder können als unfolgsam gelten.

Schulkinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung waren einst Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung und Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung waren einst sogenannte „Latetalker“. Also Kinder, die den oben genannten Wortschatzrichtwert von 50 Wörtern mit 24 Monaten nicht erreicht haben. Was können wir daraus folgern? Drehen wir diese Spirale um, dann rechtfertigen die genannten Tatsachen das Einsetzen einer frühen Sprachtherapie mit dem Ziel, Kinder in den Spracherwerb zu stürzen und den kindlichen  Wortschatz aufzubauen. Somit ist das Einsetzen der frühen Sprachtherapie eine Möglichkeit, unsere Kinder vor sprachlichen Spätfolgen zu bewahren bzw. diese mindestens zu minimieren.

Ein Artikel von Yvonne Rettenmaier, Logopädin in Augsburg.